Montag, 6. Mai 2019

Dem Narren Chaplin wurde von der Universität Oxford 1962 der Ehrendoktortitel der Philosophischen Fakultät verliehen. Und dieser Doktor schreibt zwei Jahre später auf der letzten Seite seiner Autobiographie: "Schopenhauer hat gesagt, Glück sei ein negativer Zustand - doch damit stimme ich nicht überein. Während der letzten zwanzig Jahre habe ich erlebt, was Glück bedeutet. Ein freundliches Schicksal hat mir die Ehe an der Seite einer wunderbaren Frau beschert." (Charles Chaplin, Die Geschichte meines Lebens, Stuttgart / Hamburg 1964, S. 498) Was Schopenhauer mit "negativem Zustand" meint, ist, daß wenn Schmerz und Langeweile nicht vorhanden seien, man bereits von Glück reden könne: Das sei aber auch schon alles. Das hat der Dummkopf von einem Ehrendoktor der Philosophie nicht gewusst; Leute wie er denken auch, daß Kants "Kritik der reinen Vernunft" die Vernunft kritisieren will.

Dienstag, 7. August 2018


„Das Idyll und die Tragödie sind Geschwister, die sich als solche nicht verraten. In jedem Tragiker steckt ein Hang zum Idyll. Denn das melancholisch getönte, in kleinen Kreisen sich bewegende Leben der Idylle, das den Zufall leicht und passend wie ein unversehens gefundenes Band immer wieder aufnimmt und in sein Spiel verflicht, kann doch nur bestehen im Schatten der großen Macht. Daß ihr buntes Licht sich bricht an dem unerbittlichen Dunkel, das sie umwölbt, macht den Zauber der Idylle aus. Sie ist der mildeste Ausdruck des Tragischen; nur ein Reflex verrät ihre Herkunft, aber diesen Reflex darf sie nicht vermissen lassen.“ (Reinhold Schneider, Philipp II., Berlin, Darmstadt, Wien 1959, S. 184) Das „unerbittliche Dunkel, der Schatten der großen Macht“ ist auch des „Wanderers und Zarathustras“ Schatten. Das unausweichliche Verhängnis und die Moira lauern auch auf den schönen Wegen des Lebens: das falsche Glück! (Vgl. meine „Abrechnungen eines alten Mannes“, nr. 214)



Goethes Gedicht „Worte sind“. – „Worte sind der Seele Bild – Nicht ein Bild! Sie sind ein Schatten!“ Diese Feststellung Goethes läßt sich wohl auch zur Deutung von Nietzsches „Der Wanderer und sein Schatten“ heranziehen. „Nun, wir sprechen! Rasch im Fliehn haschen wir des Lebens Gaben.“ Nietzsche war sich der grundsätzlichen Vorläufigkeit seiner Schriften stets wohl bewußt.

Dann hat mich Irvin Ribners Shakespeare-Buch (Waltham, Toronto, London 1969) auf eine andere Interpretationsmöglichkeit gebracht. Ribner schreibt, daß fiktive Soldaten auf den Aushebungslisten des 16. Jahrhunderts als „shadows“ geführt wurden. Der vorausgeworfene Schatten des Wanderers mögen die erfundenen Neuen Freunde und Weggefährten Zarathustras sein, der virtuelle Übermensch, den es noch einzulösen gilt. Der große Mittag, die Zeit des kürzesten Schattens, ist der Wendepunkt in der Geschichte der Gattung Mensch. – Der Schatten ist auch der Gesprächspartner des Wanderers in einer Art inneren Monologs.

Im  IV. Teil des Zarathustra ist er gewissermaßen die „Negation“ Zarathustras, die Kehrseite: „dünn, schwärzlich, hohl und überlebt“ sieht dieser „Nachfolger“ aus. Er ist ein „müder Schmetterling“, der seine Heimat verlor, jenem Schmetterlinge Lenaus gleich, der sich aufs offene Meer verirrt: „Du wagtest, eh der Tod dich grüßte, vorflatternd dich ins Geistermeer; du gehst verloren in der Wüste, von wannen keine Wiederkehr.“

Montag, 29. Januar 2018

Zu Nietzsches "Schatten"

"Worte sind der Seele Bild - Nicht ein Bild! Sie sind ein Schatten!" Diese Feststellung Goethes läßt sich wohl zur Deutung von Nietzsches "Der Wanderer und sein Schatten" heranziehen. "Nun, wir sprechen! Rasch im Fliehn haschen wir des Lebens Gaben." Nietzsche war sich der grundsätzlichen Vorläufigkeit seiner Schriften stets wohl bewußt. Dann hat mich eine Bemerkung Irvin Ribners in seinem Shakespeare-Buch auf eine andere Interpretationsmöglichkeit gebracht. Ribner schreibt, daß fiktive Soldaten auf den Aushebungslisten des 16. Jahrhunderts als "shadows" bezeichnet wurden. Der vorausgeworfene Schatten des Wanderers mögen die erfundenen Neuen Freunde und Weggefährten Zarathustras sein, der virtuelle Übermensch, den es noch einzulösen gilt. Der große Mittag, die Zeit des kürzesten Schattens, ist der Wendepunkt in der Geschichte der Gattung Mensch.

Der Schatten ist auch der Gesprächspartner des Wanderers in einer Art inneren Monologs. Im 4. Teil des Zarathustra ist er gewissermaßen die "Negation" Zarathustras, die Kehrseite: "dünn, schwärzlich, hohl und überlebt" sieht dieser "Nachfolger" aus. Er ist ein "müder Schmetterling", der seine Heimat verlor, jenen Schmetterling Lenaus gleich, der sich aufs offene Meer verirrt. "Du wagtest, eh der Tod dich grüßte, vorflatternd dich ins Geistermeer; du gehst verloren in der Wüste, von Wannen keine Wiederkehr."

Donnerstag, 27. Juli 2017

Doch wieder zu Nietzsche zurück! "Das Majorat" von E.T.A. Hoffmann hat - wie "Der goldene Topf" und "Kater Murr" nachdrücklich auf Nietzsche eingewirkt: Nicht nur, daß Hoffmann den Begriff "übermenschlich" gebraucht, auch das Ambiente und die Gestalten müssen den Nietzsche der Wagnerzeit zum Nacherleben inspiriert haben. Der Umgang des jungen Kunstenthusiasten mit der Baronin Seraphine muß seine "Liebe" zu Cosima Wagner, seiner Ariadne, beflügelt haben. Und der Baron ist ein "lieber neugewonnener Freund". "Leben Sie wohl, mein lieber Freund! - Leben Sie recht wohl, denken Sie daran, daß vielleicht niemand besser, als ich, Ihre Musik verstand", sagt sie ihm nach einem "langen glühenden Kuß" zum Abschied. 
Hat Cosima Wagner Nietzsche geküßt? Ist es deswegen, daß sie ihn nach dem Bruch mit Wagner keines Wortes mehr würdigte? Hat er aber Cosima geküßt, dann hat ihn auch Lou Salomé geküßt; denn der Teufel, weiß der Volksmund, scheißt immer auf denselben Haufen. Hat sie ihn aber geküßt, dann hat sie auch unter den vielen Kastanienbäumen am Ortasee mit den Kastanien gespielt... Quod erat demonstrandum... Aber diese Seraphinen verhalten sich zur gemeinen Schlampe wie die Nachtigall zum Zilpzalp. Das mußte auch Cagliostro in seinem Kerker erfahren.

Sonntag, 28. Mai 2017

Der Herr der Fliegen herrscht und wartet darauf, Fleisch zu werden und unter uns zu wohnen. Die gequälte Kreatur Mensch verfiel zuletzt auf das Spiel von Rechtsstaat. um sich vor sich selbst zu schützen. Der Herr der Fliegen kann natürlich keinen wirklichen Rechtsstaat dulden. Das Äußerste, was er sich abringen läßt, ist ein formaljuristischer logizistischer Rechtsstaat: hinter einem Volksgerichtshof war er viel zu deutlich erkennbar gewesen. Für gutgläubige Menschen ist ein moderner Rechtsstaat aber nicht nur ein eitler Stolz, sondern auch eine Falle. Da er sich der Undurchschaubarkeit wegen scholastisch extrem gerieren muß, kommt es in der Realität immer wieder zu Selbstentlarvungen. Ich will dies an dem Beispiel der Visavergabe an Thais exemplifizieren: Irgendwann (im Zusammenhang mit dem Schengener Abkommen) faßten die deutschen Behörden den Beschluß, keine Visa mehr an Thais zu bewilligen, die nicht über Arbeit und größere finanzielle Mittel verfügen. Anstatt dies aber deutlich zu deklarieren, hielt man logizistisch daran fest, daß jeder Thai ein Recht auf ein Visum für Deutschland habe. Man läßt die gutgläubigen Antragsteller eine für thailändische Verhältnisse extrem hohe Antragsgebühr entrichten, um auf das Schiff Esperanza zu kommen, das sie, um bei Hoerschelmanns Hörspiel zu bleiben, auf einer Sandbank im Meer absetzt. Bis sich dies nicht herumgesprochen hat, fordert die rechtsstaatliche Falle viele Opfer.

Donnerstag, 2. März 2017

Abschluß der Visakampagne



Nach mehrjähriger Quälerei durch alle Instanzen des sogenannten Rechtsstaats kam der Versuch, für Frau Sutinee Surit aus Chaiyaphum (Thailand) die Custodin des dortigen Nietzsche-Hauses ein Besuchsvisum für Deutschland zu erhalten, durch einen unbegründeten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts endgültig zum Erliegen. Da es sich eindeutig um ein Beispiel für das Wirken des von Nietzsche beschriebenen „neuen Götzen“ (Also sprach Zarathustra, HKG VI/1 S. 57 ff.) handelt, möchte ich meine finale Erwiderung hier einrücken, angeregt durch einen „commentary“ von Frau Ploenpote Atthakor in der Bangkok Post vom 26.01.2017 unter dem Titel „Thai passport trauma only getting worse“. Ich teilte dem Gericht folgendes mit:

Frau Surit und ich haben die Entscheidung des Gerichts vom 22.09.2016 zur Kenntnis genommen. Sie war nicht mehr begründet. Das half mir, mit der Ätiologie von Begriff und Wirklichkeit des Rechtsstaates philosophisch fertigzuwerden. Ich fasse hier zur Erhellung, auf Augustinus, den laut Martin Grabmann tiefsten Kopf unserer christlichen Ideologie, rekurrierend, abschließend meine Erkenntnis zusammen: Die Trinität memoria, intelligentia und voluntas des göttlichen Geistes im Staate haben mich (uns), wiewohl tadellos und gerecht, bei ihrer Gnadenwahl verworfen, und ich muß mich in den unergründlichen Ratschluß fügen, wie Gott ja auch das Böse in der Welt unbegreiflicherweise sanktioniert. (vgl. Kurt Flasch: Augustinus, Stuttgart 1994 S. 378 ff.) Aber was und zu wem red ich da? Das sind geheime Mysterien, über die des schauenden Denkers Höflichkeit besser schweigt…

Freitag, 20. Januar 2017

Ballade des göttlichen Lebens


Bewußtsein, Einsicht, Wille zeugt
als Gottes Geist das innre Wort,
und das wird Fleisch und immerfort,
wie sich in Drei die Einheit beugt,
ist's ihre Tätigkeit und Relationen
in allen Sphären und Äonen.

Es hatte einst in alter Zeit
gesündigt Adam durch sein Weib;
die war des Teufels, wie man weiß,
mit Brüsten dick und keckem Steiß.
Des Höchsten Ratschluß gab der Dirn
im hübschen Köpfchen wenig Hirn;
deshalb verlor die Menschheit ganz
der höchste Gott: - durch steifen Schwanz.
Das Recht, wie es noch heute ist,
war Teufels Recht auf Weltbesitz.
Der Satan reibt sich mit dem Weib
bei jeder Frucht den dicken Leib.

Allein, Gott will die Welt erlösen;
darum paktiert er mit dem Bösen.
Erlöst sei erst das Heer der Mösen.
"Ich geb Dir mich durch meinen Sohn
und bleibe doch verschont davon;
mein Geist sei Anwalt! Augustin,
von Hippo Bischof, schaue ihn!
Er, so den längsten Prügel hat,
er ist schon lang die Weiber satt,
und er allein weiß, wie es geht,
ihn lehrte ich die Trinität.
Kommt, Weiber, her, auch Monnica:
Ich Vater, Sohn und er sind da!"
"Top!" johlt der Teufel, "Schon erlöst!"
indem er Öl ins Feuer gießt:
Wie allerorts die Schreie gellten,
war es die beste aller Welten.

"Ihr Kinderlein, kommet, o kommet doch all,
zur Krippe her kommet in Bethlehems Stall,
und seht, was in dieser hochheiligen Nacht
der Vater im Himmel für Freude euch macht."

Friedrich Haller

Dienstag, 30. August 2016



Wir sind von Rätseln ohne Ende umgeben; zu einer Erkenntnis aber habe ich es doch in meinem Leben gebracht, nämlich der, daß Bias recht hat, daß die meisten schlecht sind, ohne „triuwe“, „triuwenblôz“! Und auf diese will man heute den Staat gründen, eine organisierte Fun-Gesellschaft. Bald spielt diese Fun-Gesellschaft wieder „Bundestagswahl“ in Deutschland, dem Land der Dichter und Denker. Daran ist soviel interessant, daß die Briefwahl sprunghaft an Popularität gewonnen hat. Um das weitere Absinken der Wahlbeteiligung zu verhindern, hat man Briefwahl ohne Angabe von Gründen ermöglicht. Früher zogen die Männer ihre Sonntagskleider an, setzten den Hut auf und gingen in Person zu einer Wahl wie zu einem Thing. Das verächtliche Massenstimmvieh schafft es oft nicht mehr aus dem Bett. Es geht auch nur noch um die „Stimme“; um die Person geht es schon lange nicht mehr. Die Wahl der Nichtse per Mausklick wäre nur konsequent: ein wirklicher Mensch, verantwortlich und stolz, wird bestenfalls in jungen Jahren, wenn er noch naiv ist, an einer Massenveranstaltung teilnehmen. Wohlgemerkt: Ich wende mich nicht gegen Mensch und Demokratie. Ich wende mich gegen das biologische Verständnis von Mensch und das logizistische von Demokratie. In dem schönen deutschen Land in einer Demokratie wahrer Menschen zu leben, wäre ein Traum. Doch Diogenes mit der Lampe sucht immer noch vergeblich.


Auf dem Kreuz-Weg von (aristokratischer) Kultur zu (pöbelhafter) Barbarei ist die Verbreiterung des „Wissens“ durch elektronische Daten eine nicht undeutende Station. Breite statt Tiefe der Erkenntnis und des Wissens, Verflachung eben des Umgangs mit Welt ist das pöbelgemäße Verhalten, das sich Fortschritt nennt. Mit der sogenannten Französischen Revolution brach das letzte Stadium der Menschengeschlechtskrankheit aus, das schließlich im Wahnsinn durch Paralyse enden wird. Und dann das irrsinnige Politisieren! Ich habe die überflüssigen Essays eines Joachim Fest über die Brüder Mann gelesen: Dem Feuilletonisten gelten die Brüder als „unrettbar fremd im Politischen“; dabei ist er nur ein unrettbar politischer  Schwachkopf, felsenfest von der Beschränktheit der Brüder überzeugt, dabei onkelhaft wohlwollend wie Safranski oder Yalom gegenüber Nietzsche, wiewohl sie „danken könnten, mehr doch nicht“.

Einen Deppen, der nichts weiß, glauben zu machen, er wisse alles, ist die De-facto-Funktion des Internets: es ist das eigentliche Medium des Pöbels: Das erst ist die Apotheose des Sokrates!
 

Mittwoch, 15. Juni 2016

Balladen

Es sind eigentlich gar keine Kommentare oder, bis auf einige Ausnahmen, nur stumpfsinnige zu meinen Gedanken eingegangen. Da tut vielleicht etwas Auflockerung durch Lyrik gut. Ich rücke hier die bieden Balladen "Thersites" und "Ahasver" ein, in der Hoffnung, daß ihre Botschaften, lyrisch transportiert, besser verstanden werden.




Thersites

„Vor Troja lag vertäut am Strande
die Flotte aus der Griechen Lande
neun Jahre schon auf Sieg erpicht,
doch war kein Ende noch in Sicht.

Und zürnend saß bei seinem Schiffe
Achill, vom Könige entehrt,
versagt das Schwert dem Heldengriffe,
da ihm die Beute ward verwehrt,

die Briseis mit den roten Wangen,
die auf dem Lager er umpfangen:
sie nahm der König als Ersatz
für den verlornen eignen Schatz:

Denn nicht ließ sich Apoll versöhnen,
bis er die Chryseis gab zurück
dem Vater, der als Priester tönend
beim Gott beklagte ihr Geschick.

Nur durch Athene sanft bezwungen,
ward dem Achill die Beut entrungen;
mit Agamemnon ganz entzweit,
klagt er der Mutter laut sein Leid.

Und Thetis, von dem Sohn gerühret,
eilt hin zu Zeus, umfasst sein Knie,
daß Troja er zum Siege führet,
bis daß ihr Sohn den Raub verzieh.

Zeus nickte heimlich ihr Gewährung,
und zu der Griechen Leidvermehrung
täuscht den Atriden er im Traum,
Ilions Feste zu zerhaun.

Odysseus heißt die müden Scharen
sich rüsten für den letzten Streit,
und die zuvor verdrossen waren,
begeistert er, zum Kampf bereit.

Nur einer, häßlich ohnegleichen,
vor dem die andern eklig weichen,
das Auge scheel und lahm der Fuß,
spitzköpfig, von engbrüstgem Wuchs,

Thersites mit den schüttern Haaren,
wie stets zum Widerspruch bereit,
der Wahrheit Freund in vielen Jahren,
erhebt die schrille Stimm und schreit:

Ihr Narren rennt in Krieg und Sterben
und häuft Verderben auf Verderben,
damit ein Einzger Reichtum häuft,
das Fett ihm von den Backen träuft

und junge Weiber ohne Ende
ihm gehen über Leib und Lende!
Hat er von allem nicht genug?
Wie lang noch frönt ihr dem Betrug?

Selbst dem Achill, dem bessern Manne,
hat er den Ehrenpreis geraubt,
der schlaff wie ihr und sonder Galle
noch an den eitlen Führer glaubt.

Fahrt heim, spielt Frieden, nicht den Helden,
treibt Handel dort, nicht Unsinn hier,
sonst müßte ich der Welt vermelden:
Der Griech ist Mensch nicht, ist ein Tier!“

„Der Mann spricht wahr“, denkt jeder düster;
was Bias sagte, wird Geflüster:
die Meisten in der Welt sind schlecht;
der Häßlichste allein hat recht!

Was aber, wenn die Wahrheit siegte?
Sich Krüppelspiel im Tanze wiegte?
Wenn nur noch Lästerred und Spott
sich drehten um das Gold als Gott?

Da gibt Odysseus mit dem Stabe,
daß ihm der Rücken blutig kracht,
dem Schwätzer die verdiente Gabe,
und alles atmet auf und lacht.




Ahasver

Einst zog im finstern Judenlande,
wo alles umgekehrt geschah,
als man es bei den Völkern kannte,
von Männern eine Zwölferschar,
die einem Jesus Achtung zollte,
der zwar die Welt erlösen wollte,
doch zu den Fischern sich gehockt,
sie von der Arbeit weggelockt.
Und viele lauschten seinen Reden,
und als er in die Hauptstadt kam,
da nannt’ er Bruder einen jeden,
der ihn zu sich nach Hause nahm.

So sprach der jugendliche Tor
auch oft bei einem Schuster vor,
der anders als so mancher Scheele
bei seinen Leisten blieb. Der mocht’
den Jüngling ob der treuen Seele,
obwohl ihm oft die Galle kocht,
wenn der den Weibertröster spielt
und alles auf die Liebe setzt,
bei jedem auf Belehrung zielt,
sich in der Wirklichkeit verschätzt,
zu allem Ja und Amen sagt,
ob man ihn schlägt, verlacht, verjagt.

„Du bist ein echter Idiot
und bringst am Ende dich in Not
und täuschst die Narren, die dir folgen.
Die Obrigkeit beäugt dich schon!
Wenn sich die Schelme schließlich balgen,
bist du im Nu der Hurensohn,
obgleich du nimmer Streit gesucht!
Ich mag dich doch und muß dich warnen,
daß man am Ende dich verflucht.
Laß mich den Pöbel dir enttarnen!
Sie sitzen heut mit dir am Tisch

und brechen Brot, - und morgen dich!

Vor allen dieser Judas-Schleicher,
der spitzelt für die Obrigkeit!
Jetzt hofft er noch, du machst ihn reicher,
bald ist er zum Betrug bereit.“
Doch Jesus hört auf keinen Rat:
als genialer Psychopath
wähnt er sich schon als Gottes Sohn
neben dem Vater auf dem Thron.
Ihn kam die Welt schon längst abhanden,
und bald war ihm die Zeit zu lang,
er dünkt sich frei von allen Banden
und pocht auf seinen Untergang.

Verurteilt ward zum Tod am Brett
der Prediger aus Nazareth.
Da er ein Weiberweichling war,
ward schwer der Gang nach Golgatha;
und wie er da so schwitzt und keucht,
ein dummes Weib kommt angefleucht,
belästigt ihn mit einem Tuch,
entlockt ihm seinen ersten Fluch.
Just vor Ahasvers Werkstatt fällt
er unterm Kreuz, der Schuster gellt:
„Verdammter Narr, bist selber schuld!“
Das Weibsstück sich in Tränen suhlt.

Von ferne naht sein Mütterlein,
den Sohn vom Holz zu pflücken heim;
die Jünger flohn, er ist allein,
dem Schuster stockt im Schlund der Schleim.
Da blickt ihm Jesus ins Gesicht:
„Hast recht, Erlösung fruchtet nicht,
nur Treue auf den Wanderwegen.
So geb ich dir den letzten Segen:
Du wirst zum Augenblick nicht sagen:
„Verweile doch, du bist so schön!“
wirst weigern dich, ein Kreuz zu tragen,
wirst deshalb nie zugrunde gehen!“