Mittwoch, 23. Januar 2013

Die Wissenschaft



Wissenschaft ist die „Erkenntnis“-Form des kleinen Mannes, des Duckmäusers, der mitreden will. „I am no investigator with an ear at the key-hole of Nature’s workshop, trying with vulgar curiosity to steal the secrets of her trade. The interests of science are as little to me as mine seem to have been to science.” (Ambrose Bierce) Dies war Nietzsches früher und dann wieder später Standpunkt, nachdem er zwischenzeitlich den Pöbel mit seinen eigenen Waffen schlagen wollte. Wissenschaft ist der böse Blick, der verkleinert und entzaubert; es ist der Blick des häßlichen Menschen. Philosophie sollte Wissenschaft sein: damit hatte Kant den Schlußstein auf einen absurden geistigen Dombau gesetzt – er redet von „sittlichen Gebäuden“ – das Maß der Blödsinnigkeit vollgemacht. Danach folgte scheußliches und immer absurderes Gezänk. Ich darf gar nicht an die gräßlichen Jahre der sogenannten Frankfurter Schule denken und an die Literaten dieser Zeit, ohne daß mir die Galle hochkommt. Eine Bücherverbrennung, wenn es sich um Schund handelt, ist für mich die selbstverständlichste Sache von der Welt. Wenn Goethe sogar eigene Werke verbrannt hat, wie sollte ein Gewissenhafter des Geistes da nicht ekelhaftes Geschreibsel den Flammen übergeben! Ein Georg Lukácz, ein versetzter Goebbels, wußte in dieser gräßlichen Zeit von gesellschaftlichen Zusammenhängen, über die heute keiner mehr spricht,- nicht weil man sich eines Besseren besonnen hätte, sondern weil man seiner selbst zum Sterben überdrüssig und müde geworden ist. Wahrheit darf uns nur gelten, wenn sie in uns liegt, wenn sie unsere Wahrheit ist: Seit geraumer Zeit wird sie außerhalb von uns „gesucht“ – als Gott der Religion oder wissenschaftliche (objektive) Wahrheit, als staatliche Wahrheit sozusagen: Die Realität wird von Sklavennaturen dahingehend umgelogen, daß sie für einen freien Menschen gar nicht mehr ohne Einbuße seiner Vitalität lebbar ist. Nein, die Sonne kommt am Horizont aus der Unterwelt, steigt herauf und verschwindet wieder am Horizont: das ist die ganze Wahrheit, wie ich sie erlebe: dieser ganze mich transzendierende Kugelquatsch ist eine bedenkliche Optik, derer man besser entraten sollte: Sie verkleinert unaufhörlich den Menschen; sie ist menschenfeindlich.

Montag, 14. Januar 2013

Vom Übermenschen


Die Idee des Übermenschen scheint mir in der Tat die einzige verbleibende sinnstiftende Idee für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, nachdem über Nacht der Nihilismus eingefallen ist. Sie hat gar nichts Abwegiges. Es ist ganz einfach: Der Erde treu bleiben und den Tod zugleich akzeptieren und transzendieren, kann nur heißen, sich als Wegbereiter einer Höherentwicklung verstehen, die sich in Einzelphänomenen ereignet, nicht in einer Fortschrittsgeschichte, wie sie die vernetzte Fungesellschaft imaginiert, vor der die Kinder, die noch gezeugt werden, nicht mehr sicher sind, läßt sie doch unter anderem ihre Jugendämter auf sie los.

Es muß doch irgendeine Befriedigung im Zusammenhang mit meinem Tod geben, die Vorstellung, daß ich nicht umsonst gelebt habe, daß ich Bedingung für etwas Anderes, Schönes, Besseres, Höheres – so will es der Wille zur Macht – gewesen bin. Dies ist im Grunde die Lehre vom Übermenschen. Wer mag es dem moralisch gezähmten Altphilologen Nietzsche verdenken, daß er ihn sich als bestia, als das ungezähmte Tier, als Gegensatz zum Haustier vorstellte. Der Kettenhund ist die eigentliche Bestie, was schon Schiller erkannte: „Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, vor dem freien Menschen erzittert nicht!“ Der freie Mensch wird von den Kettenhunden als gefährlich verleumdet. Er hat keinen Fürsprecher als sich selbst. Er kann sich seinen Wert von keiner Wissenschaft beweisen lassen…

Samstag, 12. Januar 2013

Einleitung

Ich dachte mir heute am Strand von Koh Phayyam mit Blick auf Koh Kham wo die Nietzsche-Höhle und der pyramidale Block sind, daß ich nach Art des Lawrence Sterne einfach anfangen muß, über Nietzsche zu schreiben, wie man alles einfach anfangen muß, daß es geschieht.

Ich kenne Nietzsche, wie kaum ein anderer, und warum und worauf sollte ich warten, daß es mir möglich machte, ein Nietzsche-Buch zu schreiben, das den üblichen unreflektierten Mustern entspräche?! Hinter solchen Büchern lauert immer der Wille zu einer sogenannten objektiven, geordneten Wahrheit, von welcher Fiktion her sie am Schluß Nietzsche kritisieren und historisch einordnen dürfen, um den Lesern die Möglichkeit zu eröffnen, über ihn zu triumphieren. So machen es Yalom und Safranski.


Vor allem ist es wichtig, jeden Satz im Sinne Nietzsches, der den Westen verurteilt, festzuhalten und möglichst zu verbreiten, um der heute fast allmächtigen canaille entgegenzuwirken und klarzustellen, daß es noch Menschen gibt, daß nicht alles verloren ist, daß eine Umkehrung der Denkungsart umso eher erfolgen kann und muß, je schärfer sich der Irrsinn der geltenden Normen herauszukristallisieren beginnt in den Fakten, die er in seinem letzten Stadium schafft...