Freitag, 22. März 2013

Die Vorrede Zarathustras

Doch wieder zurück zu Nietzsche: Vor vierzig Jahren habe ich einen Text zur Vorrede Zarathustras verfaßt, von dem ich jüngst einen ganzen Tag lang nicht wußte, ob ich ihn einer schwachsinnigen wissenschaftlichen Ambition im Zusammenhang mit meiner Promotion zuschreiben und verbrennen sollte oder ob er doch auch irgendwie akzeptabel ist. Ich rücke ihn hier, einigermaßen korrigiert, ein. Vielleicht provoziert er ja die eine oder andere Stellungnahme:

Ich verstehe die Vorrede Zarathustras einmal als Rede vor seiner Rede, die Herkunft der Rede bezeichnend, die Rede antizipierend. Ich glaube, die Notwendigkeit aller vier Teile des Zarathustra aus der Vorrede zeigen zu können: Zarathustra ist gewissermaßen das Seil zwischen den identischen Türmen der Vergangenheit und der Zukunft, - identisch in ewiger Wiederkunft des Gleichen; er erlebt sich auf sich gestellt als Seiltänzer, als eine Stelle in der Rangordnung des Seins, als Seienden, als Wertträger. Er wird angetrieben von dem, was er werden muß, was er ist, das aber aus dem kommt, was er war. Er überspringt sich selber, und sein Untergang beginnt immer aufs neue, wenn er sich vom alten Menschen löst. Die Selbstüberwindung gibt ihm das Recht, als Visionär des Übermenschen aufzutreten, der um die ewige Wiederkunft weiß. So erweist sich die Vorrede zugleich als Vorausrede hinaus in die Zukunft.

Dienstag, 5. März 2013

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Doch auch Goethes Urteile befremden mitunter. Was soll man von seiner Hochschätzung von Othos Freitod halten, von welchem Kaiser man sonst als von einem erschlafften und feigen Greise liest? Die Ahasver-Darstellung, andrerseits, hat mich zu einer Ballade inspiriert, in der es das Glück des Schusters ist, nicht zugrunde gehen zu müssen. (Die Ballade findet sich in der Zeitschrift des Nietzsche-Kreises „Osiris Philosophos“ nr. 68 die für 6,00 € beim Haller-Verlag zu bestellen ist.) Die Telephos-Geschichte, ebenso in „Dichtung und Wahrheit“ ausgesprochen, wird mein nächster Balladenstoff sein. Wie verwundete sich die heldische Antike selbst, daß sie „aus sophistischem Sack mit Gier das Erkenntnisgebrock nagte“ (Aristophanes, Die Wolken, 923 f.), bis sie im Rückgriff auf sich selber genesen kann? (-> Rettung der Sophia, 13. Daimon, „Stern von Siegburg“) Wie konnte aus Recht Unrecht (das Sokrates propagiert) werden, das „geschniegelte Laffen“ im Namen des „großen Lümmels“ (Heine) sprechen, wie es Montesquien ersponnen hat? Ich empfehle die Lektüre der Contes cruels von Villiers de L’Isle-Adam: „Vox populi“ atmet die Verachtung des großen Haufens und in „Deux augures“ erfährt man: „il est impossible de devenir une canaille sincère; il faut le don! Il faut…l’onction! C’est de naissance“. Wie aber konnte es der geborenen Canaille gelingen nach oben zu kommen? Wie konnte im tausendjährigen Rom ein Wahnsinn von Religion Fuß fassen und sich durchsetzen? Dies war nur möglich durch die nihilistische Vorarbeit der Platoniker, die die alten Mythen zerstört hatten, und die Gutmütigkeit der Stoiker, die den kleinen Leuten, den Sklaven und Freigelassenen zu viel Raum ließ. Immerhin hat es noch drei Jahrhunderte gedauert, bis Konstantin das Reich zerstörte. Hat er sich bei der Einführung des Christentums überhaupt etwas gedacht?