Samstag, 6. Juli 2013

...


Da wurde Kritik geübt an meiner Feststellung, Nietzsche habe sich auf die tierische Natur des Menschen zurückbesonnen, um von ihr ausgehend seine Feststellung neu zu sondieren. Was soll denn daran auszusetzen sein? Freilich, neu ist der Gedanke nicht: Schopenhauer wollte mit ihm den Tieren zu ihrem Recht verhelfen, Nietzsche dem höheren Menschen, den er sich als freies, das heißt ungezähmtes und undressiertes Tier, als das, was der Römer mit bestia bezeichnete, vorstellte. Seine "blonde Bestie" hat gar nichts mit einer christlichen Bestie zu tun, sondern mit dem Dionysos des Euripides, dem Gegensatz des Pantheus, dem Gott mit dem Tierfell und blonden Locken. Doch kurz zurück zu Schopenhauers "Vermenschlichung" der Tiere: "Aller Juden-Mythologie und Pfaffen-Einschüchterung zum Trotz muß auch in Europa endlich die, jedem Menschen von unverdrehtem und durch keinen foetor Judaicus benebelten Kopf ganz von selbst einleuchtende und unmittelbar gewisse Wahrheit zur Geltung gelangen, und nicht länger vertuscht werden: daß die Thiere, in der Hauptsprache und im Wesentlichen, ganz das Selbe sind, was wir, und daß der Unterschied bloß im Grade der Intelligenz, d.i. Gehirnthätigkeit, liegt, welcher jedoch ebenfalls zwischen den verschiedenen Thiergeschlechtern große Unterschiede zuläßt; damit den Thieren eine menschlichere Behandlung werde. Denn erst, wann jene einfache und  über allen Zweifel erhabene Wahrheit in's Volk gedrungen seyn wird, werden die Thiere nicht mehr als rechtlose Wesen dastehn und demnach der bösen Laune und Grausamkeit jedes rohen Buben preisgegeben seyn;- und wird es nicht jedem Medikaster freistehn, jede abenteuerliche Grille seiner Unwissenheit durch die gräßlichste Quaal einer Unzahl Thiere auf die Probe zu stellen; wie heut zu Tage geschieht." (Schopenhauer, Parerga, § 177)
Und noch ein Passus aus demselben Paragraphen: "Der Schutz der Thiere fällt also den ihn bezweckenden Gesellschaften und der Polizei anheim, die aber Beide gar wenig vermögen gegen jene allgemeine Ruchlosigkeit des Pöbels, hier, wo es sich um Wesen handelt, die nicht klagen können, und wo von hundert Grausamkeiten kaum Eine gesehn wird, zumal da auch die Strafen zu gelinde sind. In England ist kürzlich Prügelstrafe vorgeschlagen worden, die mir auch ganz angemessen scheint. Jedoch, was soll man vom Pöbel erwarten, wenn es Gelehrte und sogar Zoologen giebt, welche, statt die ihnen so intim bekannte Identität des Wesentlichen in Mensch und Thier anzuerkennen, vielmehr bigott und bornirt genug sind, gegen redliche und vernünftige Kollegen, welche den Menschen in die betreffende Thierklasse einreihen, oder die große Aehnlichkeit des Schimpansees und Orang-Utans mit ihm nachweisen, zu polemisiren und zelobisiren. Aber wirklich empörend ist es, wenn der so überaus christlich gesinnte und fromme Jung-Stilling, in seinen "Scenen aus dem Geisterreich" Bd.2 Sc.1. S.15, folgendes Gleichniß anbringt: "Plötzlich schrumpfte das Gerippe in eine unbeschreiblich scheußliche, kleine Zwerggestalt zusammen; so wie eine große Kreuzspinne, wenn man sie in den Brennpunkt eines Zündglases bringt und nun das eiterähnliche Blut in der Glut zischt und kocht." Also eine solche Schandtat hat dieser Mann Gottes verübt, oder als ruhiger Beobachter mit angesehen,- welches, in diesem Falle, auf Eins hinausläuft; - ja, er hat so wenig ein Arges daraus, daß er sie uns beiläufig, ganz unbefangen erzählt! Das sind die Wirkungen des ersten Kapitels der Genesis und überhaupt der ganzen Jüdischen Naturauffassung. Bei den Hindu und Buddhaisten hingegen gilt die Mahavakya (das große Wort) "Tat-twam asi" (Dies bist du), welches allezeit über jedes Thier auszusprechen ist, um uns die Identität des innern Wesens in ihm und uns gegenwärtig zu erhalten, zur Richtschnur unseres Thuns. - Geht mir mit euerer allervollkommensten Moral. - " Wenn man bedenkt, daß dies vor circa 170 Jahren geschrieben wurde, so muß man beklagen, wie wenig Fortschritte die Vernunft in dem langen Zeitraum selbst hinsichtlich einer "ganz von selbst einleuchtenden und unmittelbar gewissen Wahrheit" gemacht hat und wie hingegen die Absurditäten der modernen Ideen ins Kraut geschossen sind.

Vielleicht kann ich meine tierliebenden Kinder dafür gewinnen, sich mit mir aggressiv für den Tierschutz einzusetzen. Um Mitteilung von guten Ideen wird gebeten... Es könnte sich auch der Friedrich Haller Verlag - hier am Nietzsche Haus in Dong Bang Yai zieht soeben ein dionysischer Chuchok-Bacchantenzug mit Musik vorbei - ja, er müßte in einer diesbezüglichen Abteilung mit dementsprechender Literatur für die mißhandelte Kreatur eintreten, in der Art, wie Schopenhauer den Professor Ludwig Fick in Marburg gefickt hat.